Die Atmung initiiert die Bewegung – ein Satz, den meine Yogalehrerin Anne immer wieder gerne benutzt. Das hat auch einen Grund, denn nicht umsonst heißt es im Yoga, dass Atem und Bewegung im Einklang miteinander sein müssen, damit wir richtig üben können. Und dadurch kommt auch unser oft rastloser Geist zur Ruhe. Aber um zu verstehen, wie man im Yoga richtig atmet, braucht es auch ein bisschen Wissen für die Anatomie, die dahintersteckt. Beim Einatmen öffnen wir uns und gehen meist in die Streckung der Wirbelsäule, beim Ausatmen werden wir rund und machen uns klein. An der Bewegung des Atems sind viele Muskeln des Rumpfes beteiligt.
Die Anatomie des Rumpfes – darum ging es im Vortrag von Dr. Markus Heinrich an unserem vierten Ausbildungswochenende.
Der wichtigste Atemmuskel ist sicherlich das Zwerchfell. Es ist eine „muskulös-sehnige Trennwand zwischen Brustkorb und Bauchraum“ wie uns Markus Heinrich in seinem Vortrag erklärt hat. In der 3 bis 5 mm dicken Muskelplatte gibt es Durchlässe für die untere Hohlvene, für die Aorta und für die Speiseröhre.
Das Zwerchfell senkt sich bei der Einatmung, wodurch sich Brustkorb und Lunge weiten. Die Luft strömt und zwar nicht nur in eine Richtung, sondern in alle. Spätestens wenn man sich die Vierraumatmung in den Oberbauch, die Flanken, den Rücken und die Brust ansieht, ergibt das durchaus Sinn. Beim Ausatmen hebt sich das Zwerchfell, der Brustraum wird kleiner, die Luft entweicht aus den Lungen.
Neben dem Zwerchfell gibt es aber noch zahlreiche Atemhilfsmuskeln, die bei der Ein- bzw. Ausatmung eine Rolle spielen. Je nach Definition werden die Muskeln dazu gezählt, die dabei helfen, den Brustkorb zu weiten oder eben die Luft ausströmen zu lassen, wobei die Ausatmung vor allem passiv geschieht und die Einatmung eher aktiv. Das sind zum Beispiel die Zwischenrippenmuskeln, die dabei helfen, den Brustkorb zu öffnen, wie wir es im Yoga oft formulieren. Natürlich ist da der übertragene Wortsinn gemeint, nicht der wörtliche. Und die wiederum stehen in Verbindung mit anderen Muskeln, etwa den Bauchmuskeln. Atmen ist also immer ein Zusammenspiel aus mehreren Muskeln bzw. Muskelgruppen.
Für die Stabilität der Asanas ist es außerdem wichtig, die Bandhas zu aktivieren, genauer gesagt Mula-Bandha (der Beckenbodenverschluss) und Uddiyana-Bandha in der Körpermitte. Wir aktivieren es, indem wir den Bauchnabel nach innen oben Richtung Wirbelsäule ziehen, so dass der Bauch fest und stabil wird. Und weil die Körpermitte aktiv ist, atmen wir im Yoga vor allem nach oben in den Brustkorb und füllen ihn ganz aus. Anders als bei der Bauchatmung, bei der, wie der Name schon sagt, eher in den Bauch geatmet wird. Die richtige Atmung ist Voraussetzung dafür, dass wir die Asanas stabil halten können, so könnte man es auch formulieren.
Atemübung
Richtig atmen, das kann man bewusst auch zwischendurch,. Daheim, im Büro oder im Auto: Der Ort ist dabei gar nicht so wichtig. Viel wichtiger ist die bewusste Lenkung des Atems, die uns zur Ruhe bringt und nachweislich Stress reduziert. Konzentriere dich also für ein paar Atemzüge auf deinen Atemfluss. Wenn du daheim bis, kannst du auch die Augen schließen, um dich besser darauf zu konzentrieren.
Zieh den Bauchnabel leicht nach innen, er muss nicht total fest sein wie etwa in Utkatasana, der Stuhlposition. Aber dennoch aktiv. Und nun atme bewusst ganz tief ein, fülle deine Lungen, spüre, wie sich die Lunge füllt und der Brustkorb sich weitet. Wenn der Impuls für die Ausatmung kommt, lass ihn zu, spüre, wie die Luft aus der Lunge hinausströmt. Wiederhole das für mehrere Atemzüge, ganz bewusst und tief. Spüre die Ruhe und Gelassenheit, die sich nun einstellen. Namaste!